14
Aug
2014

VOELKERKUNDE

Die schönsten Fotos hat BBC ins Netz gestellt. Zeitlos anmutende Aufnahmen des Fotografen Robert Leutheuser: Berge, weisse Häuser, archaische Trachten. Sie illustrieren den knappen Artikel, der uns Auskunft darüber geben soll, wer die Jesiden (Yeziden) sind. Vor ein paar Tagen haben sich plötzlich alle Medien die Mühe genommen, uns über diesen „geheimnisvollen“ Stamm, dieses Volk, diese Sekte zu informieren. Denn auch nach elf Jahren (Kriegs-) Berichterstattung aus dem Irak hat offenbar kaum jemand je zuvor vom Volk der Jesiden gehört, das durch Einsatz von „gezielten Schlägen“ oder „humanitarian strikes“ und Waffenlieferung an die Kurden vor nie da gewesener Barbarei zu retten sich der Westen vorgenommen hat.

Aber warum wissen wir nichts über die Jesiden.

Vielleicht weil der Irak ohnehin nie etwas anderes für uns war als ein Fleck auf der Landkarte, bewohnt von einem Autokraten, Rebellen und Stammesfürsten, von Tätern und Opfern, Guten und Bösen, ins öffentliche Bewusstsein geholt durch Schlagwörter, TV-Bilder, Feuer und Rauch.

Vielleicht auch weil der Blick der „Weltöffentlichkeit“ seither immer unsteter wird, die Hintergrundtexte immer kürzer, aktueller, sensationeller werden.
Vom Sudan nach Libyen und Syrien, von Aegypten nach Nigeria, von der Ukraine nach Palästina und nach Russland, von Afghanistan zum Irak und wieder zurück. Und jeden Tag kommt eine neue Sensation, ein neuer Widersacher, eine neue Katastrophe dazu.

Wie sah Bagdad vor dem Krieg aus? Parks? Strassen? Häuser? Schulen? Universitäten? Krankenhäuser? Wo liegt Mosul, wo Erbil, wer wohnt dort? Wovon haben die Leute gelebt? Welche Feste haben sie gefeiert? Was haben sie gelesen? Welche Filme gesehn? Was für ihre Kinder erhofft? Wie lebt es sich auf dem Land, im Gebirge, in den Ebenen, wie hat es sich dort gelebt.

Keine Zeit mehr für Geschichtsbücher, Literatur, alte und neue Reiseberichte, Alltags-Reportagen jenseits des Kriegsgeschreis. Keine Zeit für Widersprüche und lange Erörterungen.

Jeder kann Zeitzeuge sein.
Sind sie vor Ort? Schicken Sie uns ein Bild. Schnell.
Haben Sie eine Meinung? Schreiben Sie uns. Sofort.
Sind Sie für oder gegen die Russen oder die Israelis oder die Kurden?
Ihre Meinung zählt.
Sie wissen nicht genau worum es sich handelt?
Egal. Hauptsache Sie wissen, wo Gut und Böse ist.
Den Guten liefern wir Waffen und Hilfsgüter, die Bösen strafen wir.
Wer nicht für uns, ist gegen uns.
So einfach ist das.

Falls Du dereinst fragen solltest, warum „wir“ an humanitäre Bomben geglaubt haben oder was „wir“ in Ländern zu suchen hatten, von denen „wir“ noch weniger zu verstehn schienen als die alten Kolonisatoren, die doch hin und wieder die Mühe auf sich genommen haben, exotische Sprachen zu lernen und den Alltag ihrer Feinde oder ihrer Untertanen zu studieren, werden „wir“ sagen:

Wir hatten keine Zeit.
Was hätten wir denn noch alles wissen sollen.
Wir haben immer nur das Gute gewollt. Alle haben damals daran geglaubt.
Du hast leicht reden. Du warst noch zu klein. Du kannst es nicht beurteilen.

3
Aug
2014

LITTLE BOY

Little Boy Blue,
Come blow your horn,
The sheep’s in the meadow,
The cow‚s in the corn.
Where is the boy
Who looks after the sheep?
He’s under a haycock
Fast asleep.
Will you wake him?
No, not I,
For if I do,
He’s sure to cry.

Ein Vers aus dem Oxford Nursery Rhyme Book. An den Vers wirst Du dich nicht erinnern können. Das Buch kennst Du. Es ist mit kleinen schwarz weissen Holzschnitten illustriert - Thumbnails, wenn Du so willst.

Unter dem Stichwort Little Boy ist der Vers auch im Netz zu finden zusammen mit dem Hinweis auf Little Boy Names and Little Boy Chic und Little Boy Toys etc.
Und „Images for Little Boy“ zeigt Dutzende Portraits: Kleine Jungs aller Hautfarben mit Stirnfransen und Locken. Lachende und staunende Augen, selbstbewusste, trotzige und skeptische Minen.
Kleine Jungs, die gerade Fussball gespielt haben, vielleicht gerauft, vielleicht ihr ferngesteuertes Auto navigiert, vielleicht stiefeln sie eben - Teddybär im Arm –ins Kinderzimmer.

Neben den Kindergesichtern noch ein Bild. Ein phallisch geformtes Ding in schwarz und weiss, die erste kampferprobte Atombombe. Codename: Little Boy.

Am 6. August 1945, um 8.15 Ortszeit stürzt sie aus der Höhe von 9 400 m innerhalb von 44, 4 Sekunden in die Tiefe, um sich in einer Höhe von 580 m direkt über der Shima chirurgischen Klinik von Hiroshima (in einer kleinen Abweichung vom ursprünglich anvisierten Ziel) zur Explosion zu bringen.
Siebzig- bis achtzigtausend Menschen sind auf der Stelle tot. Siebzigtausend weitere verletzt, die Stadt ist zu siebzig Prozent zerstört. Folgeschäden durch radioaktive Strahlung sollten sich erst später einstellen.

„Little Boy“ und „Fat Man“ –(jene wenige Tage später über Nagasaki abgeworfene zweite Bombe ähnlichen Typs ) haben dazu beigetragen, dem zweiten Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Japans ein Ende zu machen.

Mit den Ursachen und Folgen jener Ereignisse werden sich die Medien vermutlich erst im nächsten Jahr beschäftigen. 2014 gehört dem Anfang des ersten Weltkriegs. 2015 könnte dem Ende des zweiten gewidmet sein. Siebzig Jahre wird es dann her sein, dass brandneue Waffentechnologien den Krieg erfunden zu haben schienen, der allen Kriegen ein Ende setzt. Aber nach dem Krieg ist bloss vor dem Krieg.
An Gedenkjahren dieser Art wird auch in Zukunft kein Mangel sein.

28
Jul
2014

NASSER SOMMER

Regenfee haben wir Dich genannt, weil Du nur zu oft Regen mit gebracht hast, wenn Du zu Besuch gekommen bist.
Ich erinnere mich an diverse Gummistiefel, Regenmäntel, Regenhüte und Regenschirme im Miniformat, geblümte, gefleckte, rosafarbene und grössere, seriösere Erzeugnisse der Kinderbekleidungsindustrie.
Die neuen, die blauen Gummistiefel mit dem weissen Rand stehn noch hier, während Du längst in den Süden davon geflogen bist.
Nicht nur die Gummistiefel, auch den Regen hast Du zurück gelassen.

Wir sind am Alpenrand zu Hause. Die Regenwolken bleiben in den Bergen hängen. Der See reflektiert den Himmel: fifty shades of gray.
And fifty shades of green: im Delta ist der Mais schon übermannshoch, Kohlköpfe und Kartoffeln stehn mit den Füssen im Wasser.
In den sumpfigen Tümpeln brüten die Mücken.
Die Kühe halten Versammlungen unter den Bäumen.
Im Wald ist gut sein.

Unwetter haben uns bis jetzt nicht heimgesucht. Noch liefern wir keine Schlagzeilen für Medien und Klimapropheten, obwohl furcht erregende Vorkehrungen getroffen werden. Die Seespiegel werden abgesenkt, Murenabgänge werden prophezeit. Die Sturmwarnlampen blinken am anderen Ufer des Sees.

Aber bisher sehn wir nichts als einen verregneten Sommer.
Nicht ohne Poesie. Bäche und Wasserfälle rauschen. Der Wasserstand der Rhone ist hoch, Treibholz jagt den Fluss hinunter. Die Weizenernte fällt schlecht aus, sagt der Bauer, der uns die kleinen schwärzlichen Körner zeigt. Aber er klingt (noch) nicht alarmiert. Er hat nicht auf Monokulturen gesetzt.

Das Jazzfestival ist vorbei. Schulferien. Ruhige Zeiten. Parkplätze überall. Die Autoschlangen staun sich am Gotthard.
Hier sind die Sommergäste rar. Die meisten Cars vor dem Chateau Chillon entlassen ihre Reisenden zur Schlossbesichtigung und einer Promenade am See. Dann fahren sie weiter.
Mehr teure Zweitwohnungen als sonst scheinen die Fensterläden geschlossen zu halten. Eine Vermutung. Ob Wetter, Krieg und Krisen dem hiesigen Tourismus zusetzen, dafür wird uns das statistische Amt die Belege erst später liefern.

Wir wollen mit dem Tourismus und dem Beherbergungswesen von Montreux nicht so streng ins Gericht gehn wie der Waadtländer Autor Jacques Chessex in seinem Portrait de Vaudois (1972):

„Seit langem schon ist Montreux keine Waadtländer Stadt mehr. Es ist zum Abbild einer verfälschten und verlogenen Schweiz geworden, die man in Gstaad, Montana, Crans, Luzern und Engelberg wieder findet, überall, wo der Krämergeist den Hoteliers, Eisenbahn-Verwaltungsräten und Verkehrsbüros die ehemals wohnlichen Gegenden ausgeliefert und damit die frischen Hostien beschmutzt und verraten hat.
Seht ihr nicht, dass diese Greuel uns töten?“

Nein, glauben wir: diese wenigstens nicht. So wenig wie wir dem Nostalgiker Chessex glauben, dass es ein „echtes“ Leben gibt, das „verfälscht, verpanscht und verdorben“ werden kann. Wo in aller Welt wär es zu finden, das „echte“?

Sogar der echte Sommer ist der, der ist.

23
Jul
2014

JUGENDFREI

Die Nachrichten sind nicht mehr jugendfrei.

Damit meine ich nicht jene „Tatsachen des Lebens“, die Dir als aufgeklärtem Kind des Westens teils praktisch, teils theoretisch längst vertraut sind: dass die Kinder nicht der Storch bringt, dass es Kummer, Trennungen, Scheidungen und „Patchworkfamilien“ gibt.

Der Ponyhof der Gutenacht – Geschichte, die Du diesmal aus der Bibliothek mitgebracht hast, wird von zwei mit einander verheirateten Frauen geführt.
Dass Männer Hochzeit feiern und miteinander leben weisst du längst.
Du wunderst Dich auch nicht über Frauen mit Bärten, die europäische Song Contests gewinnen.

Und Du kennst eine Menge dreckiger Witze, die auf dem Schulhof kursieren und den Weg ins Schulbuch noch nicht gefunden haben.

Die Nackerten im TV werden die Erwachsenen nicht gleich dazu bringen, das Gerät auf der Stelle aus zu schalten und Dich in die Flucht zu schlagen. Dein TV- Konsum ist ohnehin beschränkt. Noch gehst du relativ früh ins Bett.

Ob das alles geeignet ist, Dir das Leben und die Liebe leichter zu machen, wirst Du – wie jede Generation vor Dir unter welchen Vorzeichen auch immer - selbst herausfinden.

Aber da sind noch die politischen Nachrichten auf dem Netz, im Radio und im TV und die Bilder dazu. Die können zur Unzeit auftauchen.

Was ist das, sagst Du. Und wir fühlen uns veranlasst, schnell abzulenken oder umzuschalten oder uns dadurch aus der Affäre zu ziehn, dass wir erzählen, dass all das vor langer Zeit gewesen sei oder weit weg. Und dass Kriege schrecklich seien, aber ganz sicher nicht bis hierher kommen würden.
Nein, es würden keine Bomben fallen, nein, Flugzeuge würden nicht explodieren, unsere Häuser würden nicht zu Ruinen werden. Nein, die Menschen sind gut. Die Götter sind gut.

Schliesslich sollst Du ruhig schlafen. Du sollst noch Kind sein können, ein Kind des Westens. Nicht für Geld arbeiten, nicht auf der Strasse leben müssen, Deine Eltern nicht verlieren, nicht betteln, nicht hungern, nicht in Flüchtlingslagern leben, nicht unter Trümmern begraben werden und Hund und Meerschweinchen werden immer behütet sein.

Nur, dass wir Dir das nicht mehr garantieren können. Deshalb lenken wir ab, wenn die Nachrichten kommen: Lass doch. Ich bin neugierig, wies auf dem Ponyhof weitergeht. Du nicht?

4
Jul
2014

POLITICAL CORRECT

029A

Die Sommerferien fangen an. Der Garten wartet auf Dich.
Sehr nützlich ist er nicht.
Er ist so abschüssig, dass jeder Ball, der über die zwei, drei ebenen Flächen hinaus gerät auf Nimmer Wiedersehn den Hang hinunter rollt.

Es gibt Gäste, die Beerenhecken, Obstbäume und Gemüsebeete vermissen.
Das sind solche, die gerne selbst ernten und Marmelade kochen.

Aber Gemüse und Obst wird im Rhonedelta und längs der Rhone im Wallis reichlich angebaut. Wir kaufen es im Supermarkt, der sich durchaus „du pays“, aus der Region beliefern lässt. Dort erstehn wir auch die Marmelade.

Andere wiederum finden, dass ein Garten einheimische Vegetation zu bevorzugen hätte. Keine Exoten bitte! Nicht zu verwechseln mit Ausländerfeindlichkeit. In diesem Fall ist von der Vegetation die Rede.

Wieder andere hätten es lieber wild. Das sind die Romantiker.
Wer weiss, wozu fähig ist, wer Kräuter zu UN- Kräutern erklärt?

Und dann sind da noch die Stadtbewohner. Sie gärtnern lieber urban und werfen Samenbomben auf verwahrloste Plätze.

Ich halte es mit Epiktet: think as you like.

Somit, meine Liebe, wirst Du, wenn Du in die Sommerferien kommst, Zypressen, Zedern, Rosen, Lavendel und Johanniskraut finden, Eidechsen, Schmetterlinge, Schnecken mit und ohne Haus, Blindschleichen, Glühwürmchen, Grillen, einen Igel, Füchse, Rehe und eine Menge Vögel, die auf der frisch abgemähten Magerwiese grasen.

Falls Du bei den Guten sein willst, nenn es Biodiversität.
Der Rest ist Luxus.

30
Jun
2014

TAKE PRIDE

001A


Dein erster öffentlicher Auftritt als Klavierspielerin war, höre ich, ein Desaster. Dabei lag es nicht einmal am Klavierspiel.

Du seist nun doch kein kleiner Mozart, sollst Du gesagt haben.

Wer ausser Dir hat das erwartet? Schliesslich war Mozart kein Karatekämpfer wie Du. Er musste Schnallenschuhe und Spitzen Jabots anziehn und den ganzen Tag nichts anderes tun als Klavierspielen. Und ob er eine so schöne Singstimme hatte wie Du ist nicht zu erweisen. Es gab damals noch keine Tonaufnahmen.

Aber wie gesagt, es lag ja nicht am Klavierspielen. Es lag daran, dass nachher jemand so originell sein wollte, ein Luftballon- Konzert zu veranstalten.
Platzende Luftballons sollten den Takt angeben oder die Pauken ersetzen oder was weiss ich.

Aber da Du nicht taub bist wie Beethoven, sondern im Gegenteil ungewöhnlich lärmempfindlich und da man Dir aufgetragen hatte, dort zu bleiben wo Du warst, stand kein Fluchtweg offen.

Dass Du eine Panik Attacke hattest, wer würde es Dir übel nehmen.
Und jetzt meinst Du, du hättest Dich unmöglich gemacht?

Denn schliesslich müsse man doch sein wie alle anderen? Und wenn nicht wie alle anderen, dann auf alle Fälle besser oder origineller?

Vergiss es. Sei stolz. Wer oder was gut oder schön ist, weiss keiner so genau.
Das ändert sich je nach Zeit, Breiten- oder Längengrad.

Origineller als alle anderen bist Du allemal.

„Take Pride in Your Fears.“ Sei stolz auf Deine Aengste. Die Erwachsenen haben davon mehr als Du denkst.

Die Postkarte hab ich in Dein Fach gelegt.

23
Jun
2014

PLUMEZ CE COQ !

001

Rupft diesen (gallischen) Hahn!
Das war der Schlachtruf der Westschweizer Zeitung Le Matin vor dem WM -Fussballturnier Schweiz - Frankreich am 21. 6. 2014 in Salvador de Bahia, Brasilien.
Der Karikaturist sah jenen Hahn mit stolzgeschwellter Brust (einen Fussball unter den Flügeln) geradewegs auf einen Schweizer Hühnergrill zulaufen.
Das war vor dem Spiel.

Es sollte anders kommen.
Kein Hupkonzert am Schweizer Ufer des Genfer Sees.

Am nächsten Morgen beschenkt uns die Presse mit dem Vokabular der Niederlage:

Wir haben einen schwarzen Tag erlebt, einen Abend zum Vergessen, wir wurden vorgeführt und blamiert, wir haben ein Debakel erlebt, man hat uns das Genick gebrochen, wir sind versenkt worden, wir sind ko gegangen, man hat uns eine Klatsche verpasst, wir haben eine Schmach erlitten….

Wir haben aber nicht geweint. Wir haben es mit Würde getragen.

Gar nicht so übel, ein unbedeutender Looser zu sein.

Immerhin wurden wir nicht „niedergeknüppelt, zerschmettert, massakriert“ wie das grosse Spanien im Kampf gegen Chiles „verrückte Krieger“.
Und wir sind auch nicht „Tiki, Taka, TOT“ wie diese.

Wir machen einfach weiter. Wenn’s kein Hahn ist, bleiben uns die Cervelats.

Es heisst, wer der Nationalmannschaft seiner Neuen Heimat die Stange hält, ist angekommen. Wer das tut, ohne sich um Fussball zu scheren, muss erst recht angekommen sein.
Also bin ich endgültig angekommen.

18
Jun
2014

FRIEDEN

Frieden

Wir leben in friedlichen Zeiten.

Die Hubschrauber über unseren Köpfen bringen Baumstämme ins Tal und neue Fliesen zur Baustelle der Nachbarin.
Drohnen fotografieren für die Landwirtschaft.
Am 1. August sehn wir Kampfjets in gewagten Manövern über den See fliegen, um den Nationalfeiertag zu ehren. Den zelebrieren wir mit Feuerwerksraketen, Papierfähnchen und Picknick im Freien.

Und doch ist der Krieg ganz nah.

Jeden Tag, wenn ich den Computer starte und die Homepage auf dem Bildschirm erscheint, sind sie da:
die jungen Männer in Tarnanzügen und Kampfstiefeln, Patronengürteln um Bauch und Schultern geschlungen, Maschinengewehre in der Hand. Das Gesicht durch Skimasken oder Tücher verhüllt. Nur die Augen sichtbar. Hinter ihnen Barrikaden, brennende Reifen, Autowracks, Ruinen, Verwundete, Leichen.

Wir sehn Flugzeugträger und Panzer. Wir wissen über Drohnen bescheid, die ferngesteuert töten.
Wir haben schon Dutzende Autos gesehn, die am Strassenrand explodieren und jeden in Stücke reissen, der zufällig vorbei kommt.

Wir haben uns an Leute gewöhnt, die fliehn. Kinder, die schreien.
An Zeltlager und Notunterkünfte so gross wie Städte, in denen es an Wasser und Essen fehlt.

Die Soldaten dieser Kriege heissen je nach Perspektive: Soldaten, Freiheitskämpfer, Revolutionäre, Aktivisten, Terroristen, Rebellen, Separatisten, Extremisten, Djihadisten, Aufständische, Milizen….
Die Kriege heissen asymmetrische Kriege oder bewaffnete Konflikte. Manche sind älter als Du und dauern fort.
An manchen sind wir indirekt beteiligt, an manchen direkt.

Wo die Guten und wo die Bösen sind, wissen wir derzeit nicht mehr so genau. Es geht so schnell, wir kommen nicht mehr nach. Darüber zu reden gehört nicht zum guten Ton.
Fussball ist vergnüglicher. Wir haben Weltmeisterschaften. Wenn unser Ländchen gewonnen hat, hören wir von der Autobahn her jubeln und hupen.

Ich wollte, ich könnte Dir über die Schulter sehn, wenn Du über die Zeiten schreibst, in denen Du neun oder zehn warst.
Und dazu wünsch ich Dir so friedliche Zeiten wie die, in denen wir uns derzeit aus sicherer Distanz an den vor hundert Jahren begonnenen ersten Weltkrieg erinnern.
Aber das ist eine andere Geschichte.
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