VOM SEE

Frankreich ist nah. Die Grenze ist offen.
„Gehen wir an den See“, hast Du gefragt, kaum war Dein Wortschatz gross genug. Damals waren zwei Spielplätze die Favoriten, einer in La Tour, einer in Territet.
Inzwischen sind Dir viele Wege zwischen Genf und dem Delta vertraut.
Ein Spielplatz muss nicht mehr dabei sein.
Manchmal geht es darum, die Schwäne und Enten am Kanal zu füttern, wobei die Wasservögel hungriger bleiben als Du und der Hund.
Manchmal locken die Karussels am Quai von Vevey oder Lausanne, manchmal die Tretboote in Lausanne oder ein Dampfer nach Evian.
War der See schon immer da? Wird er immer da sein?
Aelter ist er als die Ritter und Burgfräulein, die Du Dir –währschaft in Plastik gegossen- aus dem Schloss Chillon mitgebracht hast, noch älter als die römischen Soldaten auf den Playmobil Schachteln, die wir auf der Suche nach einem „Playmobil – Campingplatz“ (Dein Osterwunsch) in den Läden entdeckt haben.
Viel älter. Ob er immer da sein wird? Wer kann das wissen.
Nehmen wir an, man könne ihn so wenig verbauen wie die Savoyer Alpen.
Es gäbe immer noch mehr Häuser in den Weinbergen, immer noch mehr Häuser, Einkaufszentren und Tankstellen im Ueberschwemmungsgebiet des Deltas. Immer mehr Autos auf der Autobahn zwischen Genf und Sion.
Aber der See und die Steilhänge des Grammont blieben verschont.
Dann läge der See vom Haus auf dem Hang aus betrachtet - immer grad so da wie Du ihn siehst, wenn Du kommst:
aufgeraut zu kleinen silbrigen Wellen, wenn der Wind sanft ist. Grün und von Schaumkronen gezeichnet, wenn von Westen her Sturm aufzieht, schwarz bei Gewitter. Und endlos.
Allerdings werden unter dem See Erdgasvorkommen vermutet. Vielleicht ragen einmal Bohrtürme aus dem Wasser
Eine Versuchsbohrstelle ist schon eingerichtet.
Noch sehn wir von hier aus nichts davon.
Manchmal ist es ganz gut, nicht zu sehn, was wir nicht sehn wollen.
dana wolf - 22. Mai, 19:52