NASSER SOMMER
Regenfee haben wir Dich genannt, weil Du nur zu oft Regen mit gebracht hast, wenn Du zu Besuch gekommen bist.
Ich erinnere mich an diverse Gummistiefel, Regenmäntel, Regenhüte und Regenschirme im Miniformat, geblümte, gefleckte, rosafarbene und grössere, seriösere Erzeugnisse der Kinderbekleidungsindustrie.
Die neuen, die blauen Gummistiefel mit dem weissen Rand stehn noch hier, während Du längst in den Süden davon geflogen bist.
Nicht nur die Gummistiefel, auch den Regen hast Du zurück gelassen.
Wir sind am Alpenrand zu Hause. Die Regenwolken bleiben in den Bergen hängen. Der See reflektiert den Himmel: fifty shades of gray.
And fifty shades of green: im Delta ist der Mais schon übermannshoch, Kohlköpfe und Kartoffeln stehn mit den Füssen im Wasser.
In den sumpfigen Tümpeln brüten die Mücken.
Die Kühe halten Versammlungen unter den Bäumen.
Im Wald ist gut sein.
Unwetter haben uns bis jetzt nicht heimgesucht. Noch liefern wir keine Schlagzeilen für Medien und Klimapropheten, obwohl furcht erregende Vorkehrungen getroffen werden. Die Seespiegel werden abgesenkt, Murenabgänge werden prophezeit. Die Sturmwarnlampen blinken am anderen Ufer des Sees.
Aber bisher sehn wir nichts als einen verregneten Sommer.
Nicht ohne Poesie. Bäche und Wasserfälle rauschen. Der Wasserstand der Rhone ist hoch, Treibholz jagt den Fluss hinunter. Die Weizenernte fällt schlecht aus, sagt der Bauer, der uns die kleinen schwärzlichen Körner zeigt. Aber er klingt (noch) nicht alarmiert. Er hat nicht auf Monokulturen gesetzt.
Das Jazzfestival ist vorbei. Schulferien. Ruhige Zeiten. Parkplätze überall. Die Autoschlangen staun sich am Gotthard.
Hier sind die Sommergäste rar. Die meisten Cars vor dem Chateau Chillon entlassen ihre Reisenden zur Schlossbesichtigung und einer Promenade am See. Dann fahren sie weiter.
Mehr teure Zweitwohnungen als sonst scheinen die Fensterläden geschlossen zu halten. Eine Vermutung. Ob Wetter, Krieg und Krisen dem hiesigen Tourismus zusetzen, dafür wird uns das statistische Amt die Belege erst später liefern.
Wir wollen mit dem Tourismus und dem Beherbergungswesen von Montreux nicht so streng ins Gericht gehn wie der Waadtländer Autor Jacques Chessex in seinem Portrait de Vaudois (1972):
„Seit langem schon ist Montreux keine Waadtländer Stadt mehr. Es ist zum Abbild einer verfälschten und verlogenen Schweiz geworden, die man in Gstaad, Montana, Crans, Luzern und Engelberg wieder findet, überall, wo der Krämergeist den Hoteliers, Eisenbahn-Verwaltungsräten und Verkehrsbüros die ehemals wohnlichen Gegenden ausgeliefert und damit die frischen Hostien beschmutzt und verraten hat.
Seht ihr nicht, dass diese Greuel uns töten?“
Nein, glauben wir: diese wenigstens nicht. So wenig wie wir dem Nostalgiker Chessex glauben, dass es ein „echtes“ Leben gibt, das „verfälscht, verpanscht und verdorben“ werden kann. Wo in aller Welt wär es zu finden, das „echte“?
Sogar der echte Sommer ist der, der ist.
Ich erinnere mich an diverse Gummistiefel, Regenmäntel, Regenhüte und Regenschirme im Miniformat, geblümte, gefleckte, rosafarbene und grössere, seriösere Erzeugnisse der Kinderbekleidungsindustrie.
Die neuen, die blauen Gummistiefel mit dem weissen Rand stehn noch hier, während Du längst in den Süden davon geflogen bist.
Nicht nur die Gummistiefel, auch den Regen hast Du zurück gelassen.
Wir sind am Alpenrand zu Hause. Die Regenwolken bleiben in den Bergen hängen. Der See reflektiert den Himmel: fifty shades of gray.
And fifty shades of green: im Delta ist der Mais schon übermannshoch, Kohlköpfe und Kartoffeln stehn mit den Füssen im Wasser.
In den sumpfigen Tümpeln brüten die Mücken.
Die Kühe halten Versammlungen unter den Bäumen.
Im Wald ist gut sein.
Unwetter haben uns bis jetzt nicht heimgesucht. Noch liefern wir keine Schlagzeilen für Medien und Klimapropheten, obwohl furcht erregende Vorkehrungen getroffen werden. Die Seespiegel werden abgesenkt, Murenabgänge werden prophezeit. Die Sturmwarnlampen blinken am anderen Ufer des Sees.
Aber bisher sehn wir nichts als einen verregneten Sommer.
Nicht ohne Poesie. Bäche und Wasserfälle rauschen. Der Wasserstand der Rhone ist hoch, Treibholz jagt den Fluss hinunter. Die Weizenernte fällt schlecht aus, sagt der Bauer, der uns die kleinen schwärzlichen Körner zeigt. Aber er klingt (noch) nicht alarmiert. Er hat nicht auf Monokulturen gesetzt.
Das Jazzfestival ist vorbei. Schulferien. Ruhige Zeiten. Parkplätze überall. Die Autoschlangen staun sich am Gotthard.
Hier sind die Sommergäste rar. Die meisten Cars vor dem Chateau Chillon entlassen ihre Reisenden zur Schlossbesichtigung und einer Promenade am See. Dann fahren sie weiter.
Mehr teure Zweitwohnungen als sonst scheinen die Fensterläden geschlossen zu halten. Eine Vermutung. Ob Wetter, Krieg und Krisen dem hiesigen Tourismus zusetzen, dafür wird uns das statistische Amt die Belege erst später liefern.
Wir wollen mit dem Tourismus und dem Beherbergungswesen von Montreux nicht so streng ins Gericht gehn wie der Waadtländer Autor Jacques Chessex in seinem Portrait de Vaudois (1972):
„Seit langem schon ist Montreux keine Waadtländer Stadt mehr. Es ist zum Abbild einer verfälschten und verlogenen Schweiz geworden, die man in Gstaad, Montana, Crans, Luzern und Engelberg wieder findet, überall, wo der Krämergeist den Hoteliers, Eisenbahn-Verwaltungsräten und Verkehrsbüros die ehemals wohnlichen Gegenden ausgeliefert und damit die frischen Hostien beschmutzt und verraten hat.
Seht ihr nicht, dass diese Greuel uns töten?“
Nein, glauben wir: diese wenigstens nicht. So wenig wie wir dem Nostalgiker Chessex glauben, dass es ein „echtes“ Leben gibt, das „verfälscht, verpanscht und verdorben“ werden kann. Wo in aller Welt wär es zu finden, das „echte“?
Sogar der echte Sommer ist der, der ist.
dana wolf - 28. Jul, 16:32