10
Mrz
2015

HIER UND JETZT

Eine rührende kleine Geschichte. Eigentlich handelt es sich um zwei Geschichten. Die eine spielt im September 2014, die andere im Januar 2015.
Aufgezeichnet hat sie der britische Guardian online. Wer mag kann sie dort nachlesen (guardian. uk, febr. 10. 2015, „We dream about drones..) Sie muss nicht erfunden sein, um wahr zu klingen.

Es handelt sich um eine Reportage, keine Dokumentation. Der Artikel ist illustriert durch einen kleinen Film, der spielende Kinder in der jemenitischen Wüste zeigt, aufgenommen vom dreizehnjährigen Mohammed, dem das Reporterteam eine Kamera in die Hand gedrückt hat. Er sollte seine Umgebung und seine Geschwister fotografieren.
Die Kinder sind Halbwaisen.
Mohammeds Vater ist zusammen mit einem seiner Brüder durch einen Kampfdrohnen Angriff ums Leben gekommen.

Mohammeds Familie ist gross - grösser als westliche Patchwork Familien zu sein pflegen. Der Vater hinterlässt drei Ehefrauen und siebenundzwanzig Kinder.

Mohammed erzählt den Reportern von ruhelosen Nächten, von seiner Angst, vom all gegenwärtigen Geräusch der Drohnen.

„Sie erzählen uns“ sagt der Knabe, „die Drohnen kämen von Militär Basen in Saudi Arabien und vom Meer vor der jemenitischen Küste, um Terroristen zu töten, aber sie töten immer wieder unschuldige Leute. Wir wissen nicht, warum sie uns töten.“
„In ihren Augen verdienen wir nicht so zu leben wie andere Menschen auf der Welt - als ob wir keine Gefühle hätten, nicht weinen würden, keinen Schmerz fühlen könnten.“
„…sie töten uns auf Verdacht hin, ohne zu zögern.“

Drei Monate später nimmt eine Kampfdrohne das Auto ins Visier, in dem Mohammed mit seinem Schwager unterwegs ist.
Eine dritte Person befindet sich im Auto.
Der Luftschlag ist präzis und erfolgreich. Das Auto geht in Flammen auf. Alle drei Insassen sind tot. Ein älterer Bruder begräbt sie neben dem Wagen.

Angenommen, diese exemplarische kleine Geschichte sei wahr, wer könnte es Mohammeds Geschwistern verdenken, dass der zweite Weltkrieg nicht das erste Stichwort ist, das ihnen in den Sinn kommt, wenn sie an Krieg denken - selbst dann nicht, wenn sie alle Barrieren überwunden, die Odyssee durch zahlreiche Flüchtlingslager überlebt, ein Aufnahmeverfahren bestanden haben, endlich im Westen angekommen und Mitglieder unserer „Wertegemeinschaft“ geworden sind.
Ihr Krieg ist jetzt.
Wenn sie sich auf die Suche nach Schuldigen und Opfern machen, könnten wir mit gefangen und mit gehangen sein, auch wenn wir, die wir doch aller Welt nur zur unserer Zivilisation verhelfen wollten noch so ungläubig darüber staunen, dass wir nicht so dankbar geliebt werden wie wir es verdienen.
Aber wir haben schon zu viele solcher Geschichten gelesen. Sie gehen unter im Nachrichten-Smog.

Was davon wahr ist und was nicht, was gut und was böse, wo die Helden sind und wo die Opfer - darüber wirst Du entscheiden müssen. Wir erhalten uns unser gutes Gewissen dadurch, dass wir über die Generationen vor uns Gericht halten.
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VON HIER AUS GESEHN

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